Im vergangenen Oktober war ich zum dritten Mal auf Robben Island, der Gefängnisinsel vor Kapstadt, in der Nelson Mandela 18 Jahre seines Lebens einsaß. Dieses Mal war unser Touristenführer selbst ein ehemaliger Insasse, der sieben Jahre dort verbrachte. Seine Geschichten des alltäglichen Lebens waren faszinierend. Auf Robben Island wurde man nicht nur weggesperrt, sondern auch gedemütigt und schikaniert. Dort erfuhr ich auch von Mandelas Biografie Long Walk to Freedom. Ich erinnere mich an das Jahr 1994, nach unserer Rückkehr aus Südafrika. Damals sah ich dieses Buch überall in den Schaufenstern und auch bei meinem Vater stand es im Regal – doch gelesen habe ich es nie.
Nachdem jetzt auch der dazugehörige Film angelaufen ist – im November in Südafrika und seit Ende Januar hier in Deutschland – habe ich mir vorgenommen, diese Biografie zu lesen. Ich dachte immer, dass Long Walk to Freedom von einem Ghostwriter verfasst wurde. Dies ist aber nicht der Fall. Mandela hat das Buch selbst während der Gefangenschaft auf Robben Island geschrieben. Als er im Dezember verstarb, wusste ich: jetzt muss ich es lesen!
Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Ich habe ja sowieso eine starke Affinität für Südafrika, doch denke ich, dass es für jeden, der sich mit der Apartheid auseinandersetzen will, interessant ist. Das Buch beschreibt das Heranwachsen Mandelas im Ostkap, unter Stammesriten und der Xhosa-Tradition, seine Ausbildung an Missionsschulen, wie Fort Hare, sowie seine Weiterbildung in Johannesburg, erst zum Anwalt und dann zum Freiheitskämpfer. Das Buch zeigt anschaulich die Entwicklung der afrikanischen Identität, die Radikalisierung des Widerstands, vom passivem Go-Slow hin zum militanten Armed Struggle, sowie die absurden Gerichtsprozesse der Regierung gegen den ANC und seine Mitglieder.
Interessant sind verschiedene Anekdoten aus den Gerichtsprozessen sowie der langen Gefangenschaft. Sie geben tiefe Einblicke, wie das Apartheidsystem funktionierte und wie es trotz allem für die Verurteilten möglich war, durch Beharrlichkeit zu ihrem Recht zu kommen. Dass Mandela und seine Mitstreiter hier nicht den Mut verloren, ist bemerkenswert.
Was mir im Buch fehlte, waren die Zweifel, die Mandela geplagt haben müssen. Er beschreibt bspw. wie schwierig es war fernab seiner Familie zu sein, die Geburt seiner Enkelkinder nicht mitzuerleben und seine Mutter nicht beerdigen zu können. Auch die Schikane der Regierung gegenüber Winni Mandela belastet ihn sehr. Seinen Exfrauen wird jedoch wenig Raum eingeräumt, insbesondere zu Winni hätte ich gerne mehr erfahren. Man muss ihm zugestehen, dass er für beide Exfrauen nur gute Worte findet…
Alles in allem ist Long walk to Freedom ein bemerkenswerte Biografie eines außergewöhnlichen Mannes. Wer Nelson Mandela wirklich kennenlernen will und bereit ist das öffentliche Image entzaubern zu lassen, dem sei dieses Buch sehr ans Herz gelegt!